Daniel Kahneman hat uns seine neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Entscheidungstheorie in einem Buch präsentiert („Noise“, München, 2021).
Drei Forschungsfragen stehen im Vordergrund:
- Warum treffen wir, je nach Umständen, völlig unterschiedliche Entscheidungen auf ein und derselben Faktengrundlage?
- Wieso kommen zwei Experten, die über identische Informationen verfügen, zu komplett anderen Urteilen?
- Weshalb entscheiden wir uns immer wieder falsch, ob im Beruf oder im Privatleben?
Zwei zentrale Begriffe stehen in direktem Zusammenhang mit den Forschungsfragen. Es sind dies Bias also systematische Abweichungen und psychologisch kognitive Verzerrungen beim Wahrnehmen. Dazu gehören beispielsweise medizinischen Fehldiagnosen, blinde Flecken bei der Strategieentwicklung, bei Leistungsbeurteilungen und beim Recruiting, oder im Verlauf von richterlichen Entscheidungen.
Der zweite Begriff kommt neu dazu und bildet den zentralen Inhalt der neuesten Forschungsergebnisse in dem Buch, nämlich Noise (Störgeräusche), verstanden als vom Zufall getriebene, unerwünschte Schwankungen bei der Urteilsbildung und Entscheidungsfindung.
Zur Verringerung von Noise in der Urteilsbildung und Entscheidungsfindung kommen Noise Audits zum Einsatz. Dabei handelt es sich um neue, systematische Verfahren zur Erkennung von unerwünschten Streuungen in Diagnose- & Entscheidungsprozessen mit mehreren Experten. Ein Blick in die Zukunft, wie Kahneman sie sich vorstellt: Entscheidungsbeobachter und Noise Auditoren tragen zu einer Welt mit weniger Noise bei. Zudem werden in naher Zukunft Algorithmen die menschliche Urteilskraft ergänzen. Mitarbeitende werden Entscheidungen unter Komplexität optimieren. Meetings und Diskussionen werden strukturierter und gleichzeitig kreativer ablaufen, und offene Differenzen auf konstruktive Weise bearbeitet.
Begriffe: Bias, Noise, Noise Audit